Vienna Ugly Tour: Ein Test des skurrilen Spaziergangs durchs „hässliche“ Wien
Bei einem „Vienna Ugly Walk“ mit Eugene Quinn erlebt ihr Wien aus einer ganz besonderen, witzigen Perspektive. Wir haben einen Spaziergang mitgemacht.
Die meisten Stadtführer*innen erhoffen sich bei einer Tour wahrscheinlich, dass das Wetter halbwegs schön ist – aber nicht so Eugene Quinn. „Ich hoffe auf Regen oder Nebel“, sagt er: „Damit es auch wirklich grausig und diesig ist.“ Der in Wien lebende Engländer hat irische Wurzeln und ist vor ein paar Jahren wegen seiner Partnerin Monika in die Stadt gezogen. Hier gibt er Touren wie „Vienna Ugly“, wobei er Wiener*innen die Stadt auf eine besondere Art zeigt. Die meisten hält er auf Englisch, manchmal aber auch in seinem „grässlichen“ (Zitat) Deutsch.
Eine Liebeserklärung der anderen Art
Die Tour startet beim Augarten mit einem fast aufgelegten Gebäude: dem Flakturm. Ist der jetzt schön oder schiach? In unserer rund 10-köpfigen Gruppe gehen die Meinungen auseinander, manche finden den brutalistischen Bau irgendwie eh fesch, andere nicht.
Auf der Tour erzählt Quinn unzählige wenig bekannte Details, obwohl viele Gebäude vom Vorbeigehen vielleicht geläufig sind. Beim Flakturm also: Das Gebäude hätte laut Nazi-Plänen nach dem Krieg mit weißem Marmor und mit den eingravierten Namen der gefallenen Soldaten im 2. Weltkrieg überzogen werden sollen. Das wäre sicher auch monumental grässlich geworden.
Quinn ist ein deftiger, witziger Erzähler, der nicht um starke Worte verlegen ist. Dabei sei die Vienna Ugly Tour eine Art Liebeserklärung an die Stadt – die liebt er nämlich heiß. Aber hässliche Gebäude erfüllen laut Quinn einen wichtigen Zweck: „Wir brauchen solche Häuser, damit uns die anderen schön auffallen. Gäbe es nur schöne Häuser, wäre das normal und würden gar nicht mehr herausstechen.“
Vienna Ugly Walk im MA48-Style
Wir spazieren in einer Gruppe durch den 2. Bezirk. Viele Gebäude sind bekannt, spannend wird’s eben bei den Details. Ein – mittlerweile übermaltes – Haus am Karmelitermarkt ist so ein Stopp. Vor einiger Zeit wurde es umgestaltet. Davor war dieses „Haus der Zeit“ voll von nackten Körpern und diversen Körperflüssigkeiten: Der Vor-Besitzer hatte seine vielen Sexualpartnerinnen in gesichtslosen, hässlich-abstrakten Malereien auf der Fassade verewigt, zusammen mit allerlei Tröpfchen und Spermien (?). Davon hat Quinn mehrere Fotos mit, die er der Gruppe zeigt und die einige Heiterkeit auslösen.

Er selbst ist (bewusst) ebenso in einem Stil gekleidet, der auf einer Modewoche nicht zu finden sein dürfte und daher gut zur Tour passt: zu einem schwarzen Oberteil trägt er eine grelle Hose in MA48-orange. Das sei eine Auflage der Wirtschaftskammer Wien, mit der er wegen seiner Touren bereits den einen oder anderen Wickel hatte. Die soll man eigentlich auch nicht „Touren“ nennen, sondern „Walks“, weil erstere nur Wirtschaftskammer-geprüfte Tour-Guides anbieten dürften. No comment.
Hässlichkeit unter Denkmalschutz
Die Tou… ääähm der Walk endet im Bundesamtsgebäude an der Radetzkystraße, – das und damit am einzigen Gebäude des Walks, in das wir hineingehen können. Mittlerweile steht es unter Denkmalschutz, wobei es architektonisch laut Quinn ein ziemlicher Fail sei:
Das große Foyer glänzt mit einer völligen Abwesenheit von Lichteinfall und die anschließenden Gänge sind wie ein Labyrinth gebaut, man findet sich unmöglich zurecht. In der Mitte steht eine Statue von einem Mann ohne Gesicht. Darauf wurde eine hoch gestochene Aufschrift eingraviert, die absolut nix aussagt und kein Mensch versteht. Dabei sollten Architekt*innen ihre Kunst den Menschen erklären!
Architektur sei immerhin für alle da, auch wenn viele Architekt*innen sich gerne elitär und gebildet geben würden.

2,5 Stunden gute Unterhaltung
Es ist der Schlusspunkt einer launigen, knapp 2,5-Stunden langen Tour – Kostenpunkt übrigens 10 Euro. Sein Ziel, vor allem Wiener*innen zu einem Spaziergang zu bewegen, hat Quinn erreicht: Unsere Walking-Gruppe war zu einem ganz großen Teil aus der Stadt. Ein Herr hat sich zwischendurch zwar verabschiedet (es war an diesem Dezember-Sonntag-Nachmittag aber auch ziemlich kühl), der Rest blieb bis zum Schluss, hat viel geschmunzelt und einiges gelernt.
Wer Wien also einmal auf eine etwas andere, echt humoristische Art kennenlernen möchte, ist hier gut aufgehoben. Wobei es zumindest für die Besucher*innen schon ganz fein ist, wenn es nicht regnet.
Bei Woosh, unter dessen Label Eugene Quinn seine Touren anbietet, werden dabei auch andere Thementouren angeboten – zum Beispiel über die Gerüche von Wien, wobei durch den 16. und 17. Bezirk spaziert wird.
Vienna Ugly Tour:
- Startpunkt: Augarten (1020)
- Endpunkt: Bundesamtsgebäude an der Radetzkystraße (1030)
- Dauer: zirka 2,5 Stunden
- Kosten: 10 € pro Person
- Termine: online
