
Habsburger-Epos mit Sneakern & Techno: So sehenswert ist „Maria Theresia – Das Musical“
„Maria Theresia“ soll der Riesenhit der noch jungen Saison im Wiener Ronacher werden und hat bereits Verkaufsrekorde gebrochen. Wir haben das Musical bereits gesehen und verraten euch, was davon zu halten ist.
Was wäre Österreich ohne die Habsburger! Sie begegnen uns eigentlich ständig, sei es in Sissi-Verfilmungen, Bauwerken (Stichwort: Schönbrunn) oder beim Neujahrskonzert. Das Problem: Letztlich waren viele Habsburger Herrscher*innen autoritär regierende, strikt konservative und aus heutiger Sicht anti-demokratische Kräfte. Wie so einen historischen Stoff ins Hier und Jetzt bringen?
Am besten, in dem man sich auf Dinge fokussiert, die 2025 positiv besetzt sind. Das tut „Maria Theresia – Das Musical“, das aktuell in Wien im Ronacher läuft und die Herrscherin aus dem 18. Jahrhundert porträtiert. Das Motto ist ganz klar und wird explizit so besungen: „Der Mann des Jahrhunderts – das war eine Frau!“
Maria Theresia: Turbulenter Lebenslauf als Musical
Der Lebenslauf der bemerkenswerten Persönlichkeit gibt für diese Interpretation genug Stoff, der im Ronacher mitreißend erzählt wird:
Zuerst geht’s um die Jungendjahre von Maria Theresia (gespielt von Nienke Latten) und wie sie durchsetzt, ihre große Liebe Franz Stephan von Lothringen (Fabio Diso) heiraten zu dürfen. Weil ihr Vater früh stirbt und keinen männlichen Erben hinterlassen hat, wird Maria Theresia unvermittelt zur Kaiserin der Habsburger-Länder.
Prompt erklärt halb Europa ihr den Krieg, um der vermeintlich schwachen Frau Länder zu rauben. Ihr größter und grimmigster Gegenspieler: Friedrich II. von Preußen (sehr überzeugend: Moritz Mausser), dem sie Jahre zuvor die Ehe verweigert hat.

Zusätzlich hat die Kaiserin stetig mit Widerständen am Hof und mit Selbstzweifeln zu kämpfen. Auch ihre recht gleichberechtigte, aber nicht immer konfliktfreie Beziehung mit Gatte Franz Stephan wird detailreich erzählt. Klingt nach sehr viel Stoff? Das ist es auch.
Hip-Hop, Rock & Techno – ein bisserl viel?
Das Musical „Maria Theresia“ bringt diese Story dafür eindrucksvoll und kurzweilig auf die Bühne des Ronacher. Die erzählerische Schlagzahl ist so hoch wie die Hip-Hop-Beats, die teils aus den Boxen dröhnen und zu denen die Darsteller*innen singen, rappen, sprechen. Teils kommen ein paar inhaltliche Wendungen dadurch zwar einen Tick zu schnell, im Großen und Ganzen bleibt’s aber stringent.
Wobei Hip-Hop bei Weitem nicht der einzige moderne Musikeinfluss bleibt: Friedrichs dramatische Auftritte haben rockige Elemente. Kaiserinnen-Gatte Franz Stephan, der phasenweise als easy-going Lebemensch präsentiert wird, schmeißt sogar eine schwarze Techno-Party im Underground-Club-Style in Schloss Laxenburg. Natürlich kommen auch klassischere Musical-Nummern auf die Bühne: Maria Theresia darf schon den einen oder anderen stimmgewaltigen Song alleine präsentieren.
Ob so ein Mix allen gefällt? Hinter mir saßen zwei ältere Frauen, die ich in der Pause sagen hörte: „Na, ein bisserl viel ist des aber schon.“ Besser könnte ich es auch nicht beschreiben.
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Kein Welthit, aber solide Songs
Gleichzeitig muss ich sagen, dass es mir persönlich am Ende doch nicht zu viel geworden ist. Ich habe das bei meiner Bimfahrt nach Hause mit einer Besucherin besprochen: „Ein Welthit ist bei Maria Theresia nicht dabei“, sagte sie treffend.
Andere Medien, so etwa der Standard, formulieren da brutaler: Alle Songs im Musical seien „ein gelungener Versuch, sich nicht für den Songcontest zu qualifizieren. Jedes Land, das vermeiden wollte, beim Wettsingen zu gewinnen, um den teuren Contest ja nicht ausrichten zu müssen, könnte sich hier bedienen.“

Na bumm, so streng bin ich nicht. Einige Stücke gingen mir problemlos ins Ohr, aber auf der anderen Seite wieder raus. Trotzdem gab es Songs, bei denen ich Gänsehaut bekam. So etwa bei einigen Auftritten von Friedrich II, den ich generell als interessantesten Charakter empfand. Seine rockig-angelehnten Balladen würde ich mir schon nochmal auf Spotify geben. Ansonsten gab’s keine einzige Nummer, die mich ernsthaft störte und deutlich daneben war. Da habe ich beim Songcontest, bei aller Liebe zu diesem Bewerb, schon größeren Cringe gehört.
Opulentes Bühnenbild, guter Style, viel fürs Auge
Außerdem hat mich die Erzählweise der Story mitgerissen. Bei positiver Auslegung ist das Stück einfach irrsinnig abwechslungsreich – in allen Aspekten. „MT“, das steht auch für Monströses Tempo.
Auch die Choreografien geben oft viel her: Da rollen 16 (glaube ich, ich konnte nicht alle zählen) überdimensionale Kinderwägen rein, aus denen heraus die Sprösslinge Maria Theresias eine Ensemble-Nummer über ihre „Working Mum“ singen. Das fand ich wirklich sehr witzig dargestellt. Metallgerüste sorgen phasenweise für einen industriellen, düsteren Touch.

Auch die Kostümierung ist weit weg von klassischem Barock. Natürlich trägt Maria Theresia mal ein pompöses Kleid und Korsett, aber teils auch Sneaker. Der strenge Preußen-König Friedrich kommt mitsamt seiner Entourage adrett-schwarz daher und seine modernen Stiefel und lackierten Fingernägel geben ihm einen hippen Berliner Touch. Wobei der obligatorische Spitzhut diesen Eindruck wieder bricht. Ich fand’s stilmäßig eine stimmige und ansehnliche Kombination aus Barock und Moderne; Pop-Barock quasi.
Geschichtsstunde ist „Maria Theresia“ keine
Eines ist natürlich klar: Die großen Kontroversen um die echte Maria Theresia klammert das Stück stark aus. Die reale Person soll teils unter depressiven Episoden gelitten haben. Ihre Kinder hat sie trotz ihrer eigenen Liebesgeschichte ohne große Rücksichtnahme in ganz Europa verheiratet (das kommt im Musical zwar vor, wird dann aber wieder zu stark abgeschwächt) und sie war als strenggläubige Katholikin aktiv judenfeindlich und für Vertreibungen jüdischer Menschen verantwortlich.

Solche Aspekte werden teils zwar schüchtern angeschnitten, am Ende soll aber nichts die Inszenierung als fortschrittliche Powerfrau und reformfreudige „Mutter der Nation“ stören. Wer eine historisch korrekte und ambivalente Darstellung der Habsburgerin sehen möchte, sollte sich das Musical nicht ansehen.
Fazit: Gute Unterhaltung, zeitgemäße Botschaft
Hier geht’s dafür um eine deutliche Botschaft: Maria Theresia wird als selbstbewusste, durchsetzungsfähige und mutige Frau präsentiert, die ihren Weg in einer von Männern dominierten Welt geht – eine zeitgemäße Interpretation und im historischen Kontext auch nicht falsch.
Sogar ihr großer Gegenspieler, Friedrich von Preußen, wird als innerlich kämpfender Charakter dargestellt, der an der Erwartungshaltung an Männern leidet und Kriege (auch) aus Angst führt, sonst als zu weich und „weibisch“ zu gelten.
Eine Aushandlung von Geschlechterrollen im Habsburger-Kontext, die bestimmt nicht immer historisch korrekt daherkommt, aber mit schönen Botschaften und opulent-abwechslungsreich präsentiert wird. Für so ein Mainstream-artiges Stück ist das schon bemerkenswert.
Denn „Maria Theresia – Das Musical“ möchte am Ende unterhalten und die Besucher*innen mit einem guten Gefühl aus dem Ronacher hinausgehen lassen. Das schafft das Stück mit der kurzweiligen Darstellung problemlos.