
Warum das Schnittlauchbrot 8,90 Euro kosten darf
Die Aufregung war groß, als ein Wiener Lokal fast neun Euro für den simplen Klassiker Schnittlauchbrot verlangte. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Der Preis hat Gründe – und die Debatte offenbart ein Missverständnis über den wahren Wert von Gastronomie.


Eine Debatte über Wertschätzung, Preisdiskussionen und das Missverständnis rund um einfache Gerichte.
Ein Schnittlauchbrot für 8,90 Euro? Diese Schlagzeile des Standard sorgte für Empörung – und klickfreudige Kommentare. Ein einfaches Gericht, das in der kollektiven Erinnerung mit Kindheit, Schuljause oder Wirtshauskultur verbunden ist, wurde plötzlich zum Symbol einer gefühlten Abzocke. Aber wie viel darf ein Schnittlauchbrot kosten – und was verrät die Aufregung darüber über unser Verständnis von Gastronomie?
Die Preisfrage: Brot, Butter, Bauchgefühl?
In der Auflistung des Artikels wurde auch das Café Friedlich im Wiener Hundertwasserhaus genannt. Der dort verlangte Preis von 8,90 Euro fürs Schnittlauchbrot ließ so manchen Leser wütend die Stirn runzeln. Dabei, so die Betreiber*innen Julia und Daniel, basiert dieser Preis keineswegs auf Willkür, sondern auf knallharter Kalkulation:
„48 Prozent unserer Ausgaben entfallen auf Personal, rund 30 Prozent auf den Wareneinsatz – hochwertige, möglichst regionale und biologische Zutaten. Hinzu kommen laufende Fixkosten und Steuern. Am Ende bleiben uns 65 Cent pro verkauftem Schnittlauchbrot.“
Das klingt weniger nach Luxusmarge, sondern nach wirtschaftlicher Realität in einer Branche, die seit Jahren ums Überleben kämpft. Es sei eben nicht nur ein Schnittlauchbrot – sondern ein Produkt, das mit Sorgfalt, Haltung und unter fairen Bedingungen zubereitet wird.
Warum gerade das Einfache so aufregt
Doch warum entzündet sich die Debatte gerade an etwas so Schlichtem wie einem Brot mit Butter und Schnittlauch? Nina Mohimi, Expertin für Food and Beverage Marketing, sieht darin ein typisches Missverständnis:
„Wenn etwas einfach aussieht, wird es oft automatisch als billig wahrgenommen. Es fehlt das visuelle Signal für Wertigkeit – und damit das Verständnis dafür, was in Gastronomie alles mitbezahlt wird: Personal, Betriebskosten, Zeitaufwand, Haltung.“
Mohimi ortet ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber der Branche, gespeist durch Lebensmittelskandale, fehlende Transparenz und eine Preislogik, die auf den Zutaten allein basiert – nicht aber auf dem, was dahintersteckt.
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Was gute Gastronomie wirklich kostet
Die Preisgestaltung in der Gastronomie ist komplex. Neben Wareneinsatz und Lohnkosten spielen viele unsichtbare Faktoren mit: Miete, Energiekosten, Versicherungen, Marketing, Buchhaltung, Weiterbildung – um nur einige zu nennen. Besonders kleinere Betriebe, die auf Nachhaltigkeit, Regionalität und faire Arbeitsbedingungen setzen, arbeiten mit geringeren Margen und höheren Kosten.
Mohimi fordert daher eine differenziertere Betrachtung – auch von Seiten der Medien:
„Es braucht mehr Transparenz und journalistische Verantwortung. Wer Gastronomie ernst nimmt, muss mehr als Geschmack und Ambiente bewerten. Es geht auch um faire Löhne, Nachhaltigkeit, Teamkultur und unternehmerische Haltung.“
Ein Schnittlauchbrot als Symbol
Letztlich ist das Schnittlauchbrot mehr als ein Brot mit Grünzeug. Es steht sinnbildlich für eine Gesellschaft, die einerseits über Qualität spricht, aber beim Preis dann oft zurückschreckt. Für eine Gastronomie, die immer mehr leisten soll, aber kaum über ihre realen Kosten sprechen darf. Und für Gäste, die sich nicht nur satt essen, sondern auch Teil einer Haltung sein könnten – wenn man sie denn mitnimmt.
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Mehr InformationenDenn, wie es Julia und Daniel vom Café Friedlich formulieren: „Wenn das Brot vom Bio-Bäcker kommt, die Butter hochwertig ist, der Schnittlauch frisch, das Service freundlich – und das Ganze in einem gepflegten Ambiente serviert wird, dann darf ein Schnittlauchbrot auch 8,90 Euro kosten.“
Auf die Frage, wieviel denn ein Schnittlauchbrot nun kosten darf, weiß Mohimi auch eine Antwort: „Ein Schnittlauchbrot mag schlicht wirken, aber es kann auch Ausdruck von Haltung, Qualität und Fairness sein. Was es kosten darf, ist sehr individuell und daher kann ich nur für mich sprechen. Wenn ich bei einem Lokal ein mir ähnliches Wertesystem vermute, dann nehme ich die Preisgestaltung an, ohne sie zu hinterfragen. Wenn ich merke, dass es nicht so ist, werde ich (sofern es meine Entscheidung ist) eh nicht mehr hingehen.“
Mehr als „nur“ billig!
Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Vorstellung von „einfach“ zu überdenken. Und damit auch unsere Bewertung von Preis-Leistung. Denn ein gutes Schnittlauchbrot kostet eben nicht nur 8,90 Euro – es ist Ausdruck von Verantwortung, Sorgfalt und einem Lebensstil, der mehr will als billig.
